Abb. 1. David Hockney, Autumn Trees Near Thixendale, Computer-Zeichnung, lasergedruckt auf Papier, 2008.
Abb. 1. David Hockney, Autumn Trees Near Thixendale, Computer-Zeichnung, lasergedruckt auf Papier, 2008.

Notes

1 Dies soll nicht als Resignation verstanden werden. Im Lehrplan wird durchaus gefordert, dass sich Schüler*innen zeichnerische Fähigkeiten wie proportionales Zeichnen, Linienführung, Hell-Dunkel-Kontraste etc. aneignen. Jedoch kann dieses Feld auch erweitert werden.

2 Markowitz 1994, 57-63.

3 Sally J. Markowitz ist eine ehemalige (in Ruhestand getretene) Professorin der Philosophie an der
Universität Willamette.

Markowitz 1994, 61-63.

5 Lin 2005, 5.

6 Lin 2005, 6.

7 Lin 2005, 6.

8 Lin 2005, 8.

9 Lin 2005, 8.

10 Dr. Luke Smythe ist als Dozent für Kunstgeschichte und Kunsttheorie an der Monash Universität tätig. Sein Fokus liegt auf der globalen Evolution des Modernismus nach dem 2. Weltkrieg, Identitätskunst und ihren Einschränkungen, sowie die der Übergang analoger Medien in ein digitales Zeitalter.

11 Smythe 2012, 106.

12 Lin 2005, 9.

13 Steyerl 2009.

14 Lin 2005, 9.

15 Ippolito 2002, 486.

16 Sy Gardener ist ein britischer concept artist und Buchillustrator der sowohl analog als auch digital arbeitet.

17 Suren Rajawat ist ein indischer concept artist und Illustrator für Videospiele und Film.

18 Djamila Knopf ist eine deutsche Illustratorin und gibt Kurse zur digitalen Zeichnung und Malerei.


Literatur


Ippolito 2002
John Ippolito, Ten Myths of Internet art, in: Leonard Vol. 35, No. 5, MIT Press 2002, 485-487,489-498.

Lin 2005
Po-Hsien Lin, A Dream of Digital Art: Beyond the Myth of Contemporary Computer Technology in Visual Arts, in: Visual Arts Research Vol 31, Nr. 1, University of Illinois Press 2005, 4-12.

Smythe 2012
Luke Smythe, Pigment vs. Pixel: Painting in an Era of Light-Based Images, in: Art Journal Vol 71, No. 4, CAA 2012, 104-118.

Steyerl 2009
Hito Steyerl, in Defense of the poor image, o.O. 2009 (https://www.e-flux.com/journal/10/61362/in-defense-of-the-poor-image/).

Markowitz 1994
Sally J. Markowitz, The Distinction between Art and Craft, in: The Journal of Aesthetic Education Vol.28. University of Illinois Press 1994, 55-70.

Abbildungen


Abb. 1. https://www.hockney.com/works/digital/computer-drawings

Abb. 2. https://www.instagram.com/p/CJgy3l9Da-W/

Abb. 3. https://www.instagram.com/p/CMXrkSVjBO0/

Abb. 4. https://www.instagram.com/p/CMKpSq-hoNy/

Anika Rieben ~ Social Media Kunst im BG-Unterricht?


Im Rahmen des Seminars «Transfer Kunstgeschichte» an der Hochschule der Künste Bern stelle ich mich der Frage, wie wir Kunstgeschichtsschreibung sehen und wie wir sie, auch im Bezug auf die eigene Unterrichtspraxis hin überprüfen und verändern können.
Wie wird Kunst an den Schweizer Schulen unterrichtet, beziehungsweise, welche Prägungen werden uns im BG-Unterricht mit auf den Weg gegeben? Nicht zuletzt möchte ich der Frage nachgehen, wie sich Kunst aktuell mit der Lebenswelt der Schüler*innen verknüpfen lässt und sowie marginalisierte Gruppen und Kunstrichtungen nachhaltig in den Unterricht eingebracht werden können.

Diese Fragen stehen stellvertretend für ein riesiges Feld an weiteren Fragen, welche in diesem Text nur angerissen, beziehungsweise anhand einiger Beispiele erläutert werden. Zu Beginn noch ein Disclaimer: Ich möchte hier deutlich machen, dass ich mir nicht anmasse, den Begriff der Kunst definieren zu wollen. Dieser Text reflektiert viel eher Fragen zu Kunst und visuellen Praktiken, die ich mir in gewissen Bereichen vor und während meines Studiums gestellt habe und immer noch stelle.

Ein Umstand, auf den ich in den vergangenen dreieinhalb Jahren Kunst-, Kunstvermittlungs- und Kunstgeschichtsstudium vermehrt gestossen bin, ist eine teils explizite, teils implizite Hierarchisierung, beziehungsweise Kategorisierung von Kunst und Kunsthandwerk.

Dieses Einordnen findet auf unterschiedlichen Ebenen statt. An diese Kategorien scheinen auch je nach historischem und kulturellem Hintergrund unterschiedliche Ansprüche gestellt zu werden.

Ästhetische Kriterien zur Kategorisierung von Kunst sind stossen grundsätzlich auf ein breites Selbstverständnis. Die Definition auf rein ästhetische Merkmale ist aber zweifelsfrei zu eng gesteckt. An den Schulen hört man oft Sätze wie: «Aber ich kann nicht zeichnen.» Gerade in solchen Situationen finde ich es wichtig, den Schüler*innen zu aufzuzeigen, dass auch das Medium der Zeichnung ein breites Spektrum an Möglichkeiten bietet innert derer die realistische gegenständliche Zeichnung nur eine ist.1

Die Unterscheidung von Kunst und Kunsthandwerk wird oft auch damit begründet, dass handwerkliche Objekte einen praktischen Nutzen haben oder nicht interpretiert werden können oder müssen, was bei Gemälden oder Skulpturen nicht gegeben ist. Ausdruck und Bedeutung müssen die Funktion eines Objekts schliesslich nicht in den Schatten stellen.2



Betrachtet man dies am Beispiel der Stickerei, fällt auf, dass obwohl die entstandenen Werke oft repräsentativ sind, bzw. eine Interpretation erlauben, oft als Handwerk abgetan werden. Hier wird der Hinweis angebracht, dass Stickerei als eine vorherrschend weibliche Tätigkeit von der traditionellen Kunstgeschichte pauschal als minderwertig wahrgenommen wird.

Zum Umgang mit Objekten wie bspw. einem Teppich oder Schal als rein formalästhetisches abstraktes Werk unter aktiver Ausblendung der kulturellen Autorenschaft und Hintergründe schreibt Sally J. Markowitz3 folgendes:

«So such an approach allows craft objects to gain the status of art without their makers ever quite gaining the status of artists. Indeed, from such a perspective, the aesthetic achievement appears to lie in the critic's aesthetic discovery rather than in the weaver's mastery.” 4

Die Frage, die sich hier noch stellt, ist wie sich in diesem Bereich eine sinnvolle Auswahl treffen lässt, um eine angemessene Art der Repräsentation zu finden.

Müssen künstlerische Arbeiten überhaupt eingeordnet und kategorisiert werden können? Zu Platos Zeit wurden Kunst und Handwerk mit demselben Begriff «techne» bezeichnet.5 Damit soll nicht gesagt sein, dass man künstlerische Arbeiten nicht mehr kategorisieren sollte, sondern vielmehr, dass die existierenden Kategorien möglicherweise nicht hinreichend sind. Vielleicht wäre es in diesem Zusammenhang hilfreicher, von Kontextualisierung als Kategorisierung zu sprechen.

Eine Differenzierung, welche mir in meinem täglichen Leben auffällt, ist die Einteilung in «high art» und «hobby art» oder «craft». Besonders den letzten beiden dürften Schüler*innen in ihrem täglichen Leben und auf Social Media häufiger begegnen.

Im Zusammenhang mit Digitalität wird beispielsweise im Bereich der Malerei der traditionellen, analogen Malerei traditionell ein anderer Stellenwert zugemessen als ihrem digitalen Äquivalent.

Viele «traditionelle» Kunstarten können auf ein digitales Medium übertragen werden, seien dies nun Malerei, Fotografie oder Skulptur6. Geht es dann nicht eher um einen bewussten Einsatz von Digitalität? Nicht jedes digitale Werk setzt sich auch mit den Implikationen und Ästhetiken der Technik auseinander.7 Wie gestaltet sich dieser Umstand bei digitaler Zeichnung und Malerei?

Bei digitaler Zeichnung, Malerei oder auch Mischtechniken verschwimmt die Grenze zwischen Technik und Werkzeug. Bei vielen digitalen Tools wie beispielsweise Photoshop und ähnlichen Programmen könnte man bereits wieder von einer eigenen Technik sprechen.8

Eine Gefahr stellt auch die Überwältigung der künstlerischen Expression durch die Signatur des Computers dar.9 Hier wage ich einzuwenden, dass sich seit den frühen 2000ern die Technik erheblich weiterentwickelt hat und ein breites Verständnis dafür existiert, was zu «künstlich» anmutet, oder wann diese Künstlichkeit gewollt ist, auch wenn der Einwand natürlich nach wie vor Berechtigung hat.

Smythe10 schreibt, dass sich mit der Entwicklung digitaler Kunstformen die Animosität zwischen fotomechanischen Erzeugnissen und Malerei auf eine zwischen Materialität und Immaterialität, bzw. pigment- und lichtbasierten Arbeiten verschoben hat.11 Aber auch hier kann aus meiner Sicht die Grenze nicht klar gezogen werden. Denn das eine schliesst das andere nicht aus.

Auch die Beziehung zwischen Künstler*in und Betrachter ist bei digitaler Kunst im Internet eine andere als im physischen Raum. Allein durch unterschiedliche Bildschirmgrössen und -kalibrierungen entstehen Abweichungen am Werk.  Appropriation, Bearbeitungen und wiederholte Reposts entwickeln Bilder gewissermassen ein Eigenleben.12 Hier kommt auch die Frage von Autorenschaft und Copyright zum Tragen. Dies wird auch Hito Steyerls «In Defense of the Poor Image» sehr schön deutlich gemacht.13

Um auf die Frage der Differenzierung von Kunst und Kunsthandwerk oder art and craft zurückzukommen, kann ergänzend gesagt werden, dass auch hier die Grenzen bei digitalen Werken fliessend sind. Vieles bewegt sich auf einem Grat zwischen Kunst und Design.14

Auch bei meinen eigenen digital entstandenen Arbeiten stelle ich fest, dass ich in unterschiedlichen Kategorien denke. Einiges fällt unter die Kategorie Illustration, anderes unter Skizzen (sowohl für analoge als auch digitale Werke), welche teils allerdings auch nicht mehr in etwas anderem münden. Einiges würde ich schlicht als Characterdesign oder freie Malerei betitteln. Doch dann gibt es noch diesen Bereich, der sich visuell zwischen Zeichnung und Malerei bewegt, sich auf der Erinnerung begründen oder auch komplett frei erfunden sein kann und nicht zu einem weiterführenden Zweck entsteht. Die Bezeichnung «Kunst» scheint mir dafür jedoch auch nicht zufriedenstellend.

«Digital internet art» oder «digital painting» wird tendenziell eher als amateurhaft betrachtet und auf Illustration oder Design15 reduziert, welche auch, meiner Meinung nach zu Unrecht, als minderwertig zu gelten scheinen. Sich digitaler Malerei oder Zeichnung zu widmen oder sich ihrer in einem kreativen Prozess zu bedienen, ist nicht automatisch mit Unprofessionalität gleichzusetzen, was sich beispielsweise an David Hockneys Werken und Arbeitsprozessen unschwer erkennen lässt.

Wo wird hier also die Grenze gezogen? Spielt es eine Rolle, wo die Werke veröffentlicht werden? Worin liegt der Unterschied seiner digitalen Zeichnungen beziehungsweise Malereien, die auf Instagram, Twitter oder Deviantart veröffentlicht werden und den digitalen Arbeiten von Hockney?

Als was wird möglicherweise auch das bezeichnet, was die Schüler*innen im Unterricht produzieren? Wie ordnen wir als BG-Lehrkräfte diese Arbeiten in einen breiteren Kontext ein? Zeigen wir unseren Schülerinnen explizit auf, welche Wege sie mit ihrer visuellen Tätigkeit einschlagen können?

Für einen nachhaltigen Kunstunterricht ist es mir ein Anliegen, die Kunst mit der Lebenswelt der Jugendlichen zu verknüpfen und ihnen eine Relevanz aufzuzeigen, die die vielleicht wahrgenommene Kluft zwischen traditioneller high art und dem, was wir in unserem täglichen Leben begegnen, etwas verringert.

Nicht zuletzt frage ich mich auch, wie unsere Lernenden die eigenen Arbeiten sehen und welches Potential sie selbst darin erkennen.

Zu diesen Fragen gelange ich hier nicht zu einer abschliessenden Konklusion, allerding sind die in diesem Text beleuchteten Fragen Aspekte welche ich für eine zukünftige Kunstgeschichte, vor allem auch in Zusammenarbeit mit Jugendlichen die sich in ihrem täglichen Leben erheblich mehr mit digitalen als materiellen Bildern auseinandersetzen dürften, unverzichtbar.